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Breitwegerich - Der König der Wege

Der Weg wächst im Gehen unter deinen Füßen - wie durch ein Wunder.“

(Reinhold Schneider)



Diese Worte treffen nicht nur auf den eigenen Lebensweg zu, sondern auch auf den Wegerich. Er wird gern als Herr oder König der Wege bezeichnet. Wege-rich: - rich kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Herrscher, König(reich) bzw. reich im Sinne von mächtig, herrschaftlich.


Vor allem der Breitwegerich nimmt diesen Titel sehr ernst. Er begegnet mir auf Schritt und Tritt. Kein Wunder, so beliebt es ihm doch, sich auf Wegen auszubreiten. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes trittfest oder „zäh wie Leder“, denn seine derben Blätter halten so manches aus – unzählige Füße, die auf ihn treten, Reifen von Fahrrad, Auto und Traktoren, Pfoten und Hufe. Wer möchte das schon über sich ergehen lassen? Der Breitwegerich dagegen möchte getreten werden, er erträgt es ohne daran kaputt zu gehen. So viel Widerstandskraft ist beneidenswert. Zudem hat er das mit-Füßen-getreten-zu-werden zu seiner eigenen (Überlebens)Strategie gemacht. Er dreht den Spieß einfach um und heftet sich an die Fersen des Tretenden.


Ursprünglich stammt der Wegerich aus Europa. Doch mittlerweile wächst er auf der ganzen Welt. Der Breitwegerich liebt es zu reisen und begibt sich bevorzugt als blinder Passagier auf Wanderschaft. Er wird sogar zum Globetrotter und bereist die ganze Welt. Selbst Ozeane stellen für ihn kein Hindernis dar. Als stiller Begleiter überwindet er mühelos alle Grenzen und versteht es, sich zwischen den Welten zu bewegen.


Die Indianer in Nordamerika nannten ihn auch den „Fußabdruck des weißen Mannes“, weil er durch die Siedler übers Land verbreitet wurde. Auch sein wissenschaftlicher Name Plantago major gibt einen Hinweis auf seine wirkungsvolle und kluge Verbreitungstrategie. Plantago wird vom Lateinischen Planta = Fußsohle abgeleitet.


Dieses Verhalten bzw. seine EigenArt erklärt, weshalb der Wegerich in der Signaturenlehre dem Merkurprinzip zugeordnet wird. Merkur ist nicht nur der kleinste Planet in unserem Sonnensystem, sondern wurde auch als Gott Mercurios verehrt. Merkur, der Götterbote – er steht für Bewegung, Veränderung, Ungebundenheit, aber auch für Kommu-nikation und Lernfähigkeit. Er ist der Gott und Beschützer der Händler und Reisenden, sowie der Apotheker und Ärzte.


Dennoch, trotz all dieser merkurischen Wanderlust und Ungebundenheit wirkt der Breitwegerich auf mich sehr erdverbunden und bodenständig. Er schmiegt seine ledrig derben Blätter in Form einer Rosette fest an die Erde. Der Breitwegerich wächst dort, wo die Erde sehr dicht und festgetrampelt ist - da wo Mensch seine Wege geht. Mit seiner enormen Widerstandsfähigkeit können seine Brüder der Spitzwegerich und der Schöne (Mittlere) Wegerich nicht mithalten.


Um den enormen Druck von Füßen, Hufen und Rädern auszuhalten, hat er (Blatt)“Nerven wie aus Stahl“. Die Form seiner Blätter ist eiförmig zugespitzt. Der Blütenstand ist aufrecht und unscheinbar. Die Blüten wachsen an einer langen Ähre (5-10 cm), ähnlich wie bei Getreide. Ab ca. Juni sprießen die langen grünen und noch geschlossenen Blütenähren aus der Mitte der Blattrosette. Ihr Ährenstiel ist ebenso eher fest. Aber gerade in diesem Entwicklungsstadium sind seine Blütenähren eine ganz besondere Delikatesse. Kurz angedünstet und in Butter geschwenkt, erinnert sein Aroma an eine Mischung aus Pilz und Spargel. Zugegebenermaßen halten sich die Erträge in Grenzen, aber der Gaumen wird dafür mit einem Geschmacksabenteuer belohnt.


Die vielen kleinen Blüten öffnen sich der Ähre entlang von unten nach oben. Auffällig sind dabei die langen Staubblätter, die männlichen Anteile der Blüte. Die weibliche Narbe ist kürzer und unauffälliger.



Merkurs Element ist Luft und dieses macht sich der Wegerich für seine Bestäubung zunutze. Nach der Befruchtung durch den Wind verwandeln sich die Blüten in Fruchtkapseln. Jede Frucht enthält 6-30 Samen. Diese sind bei geringer Feuchtigkeit klebrig und bleiben an Fußsohlen, Tierpfoten und anderen haften und begeben sich auf diese Weise auf die Suche nach fruchtbaren Boden. Auch in dieser Wachstumsphase ist der Breitwegerich ein Genuss. Dazu werden die dicken noch grünlichen Samen von der Ähre abgestreift, mit Butter in der Pfanne leicht angebraten und etwas gesalzen. Auf ein Butterbrot oder als Krönung über einen Aufstrich streuen und einfach genießen.



Der König der Wege inspiriert mich auch philosophisch zu werden und über den Weg selbst nachzudenken. Was ist ein Weg? Ein Strecke von A nach B? Eine Verbindung vom Start zum Ziel? Muss ein Weg immer sichtbar, vorgefertigt, gepflastert oder ausgebaut sein? In der deutschen Sprache gibt es viele Wege, manche davon sind sogar ausgeschildert wie Wanderwege, Pilgerwege, Fluchtwege, Verkehrswege, Privatwege oder Fußgänger-überwege.


Dann gibt es auch solche Wege, die sich meist erst auf halber Strecke als Umweg, Irrweg oder Holzweg erweisen. Diese Wege gibt es zum Einen ganz real (manchmal sogar vom Navi angesagt), zum Anderen sind es Lebensabschnitte die den eigenen Lebensweg nachhaltig prägen. Das zeigt, dass ein Weg, egal ob innerlich oder äußerlich, hat auch immer etwas mit Orientierung zu tun. Leider/zum Glück ist der Lebensweg meistens nicht vorhersehbar, allzu oft ist es ein Weg ins Unbekannte. Auch hierbei verdient der Wegerich zu Recht den Titel des Königs der Wege. Seine Abenteuerlust scheint keine Grenzen zu kennen, wenn er seine Samen auf Wanderschaft mit unbekannter Reiseroute und Reisebegleitung schickt. Auch Wünsche, Projekte und Ideen können Samen sein, die ich auf die Reise zu einem fruchtbaren Boden schicke.


Der Weg als Symbol und Metapher ist für mich auf jeden Fall mit BeWEGung verbunden. Egal ob äußerlich oder innerlich. BeWEGung ist ein Fortschreiten, ein Vorankommen, ein Weitergehen, manchmal auch ein Abkommen vom Weg. Im Gegensatz zu Rotkäppchen, kommt der Breitwegerich ganz sicher nicht vom Wege ab, denn dort kann er seiner (Überlebens)Strategie nicht nachkommen. Die äußere BeWEGung hat den Vorteil, dass sie viel klarer zu erkennen ist. Ich erinnere mich gut als ich vor Jahren den Jakobsweg ging. Manchmal schien es, als würde ich auf der Stelle gehen. Doch ein Blick zurück half zu erkennen, wie weit ich schon gekommen war. Dagegen sind die inneren BeWEGungen schwieriger auszumachen. Emotionen – Gemüts-Bewegungen. Das deutsche Wort ist dem gleichbedeutenden französischen émotion entlehnt, das zu émouvoir (dt. bewegen, erregen) gehört. Dieses Wort entstammt dem lateinischen emovere (dt. herausbewegen, emporwühlen).* Wie bewegend Emotionen sein können, haben sicher schon die meisten spüren dürfen.


Weg
Weg


"Auf dem Weg deines Lebens, bewegt sich nur das, was dich bewegt. "

(Matthias Lenz)


Für ein gutes Vorankommen auf äußeren Wegen habe ich noch einen Tipp. Der Breitwegerich ist das beste Blasenpflaster, das ich kenne. Wenn der Schuh drückt, ein passendes Blatt des Breitwegerichs direkt auf die entprechende Hautstelle auflegen, Socken darüber ziehen (ggf. zusätzlich mit einem Pflasterstreifen fixieren) und schon kann es weitergehen. Der Breitwegerich bringt Kühlung und lindert Schmerzen. Wenn er rechtzeitig zum Einsatz kommt, kann er eine Blasenbildung verhindern. Dieser grüne Sanitäter muss zum Glück nicht lange gesucht werden, sondern wartet am Weg auf dich.


Von Abenteuern, Wegen und Lebenswegen könnte der Breitwegerich noch viel erzählen und regt noch mehr an darüber nachzusinnen. Doch das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Der Weg als Symbol und Metapher ist ein eigenes und umfangreiches Thema.


Vielleicht magst Du Dir, wenn Du das nächste Mal einen Breitwegerich siehst, ein paar Fragen stellen:

  • Auf welchem Weg befinde ich mich?

  • Ist es mein Weg? Oder gehe ich den Weg, der von mir erwartet wird?

  • Ist mein jetziger Weg auch der Weg meines Herzens?

  • Wie viele Umwege bin ich gegangen? Hat sich vielleicht so mancher davon als (Um)Weg zum Glück herausgestellt?

  • Wann war der Weg das Ziel?


Wortverbindungen mit Weg: Wegweiser, Wegbeschreibung, Weggefährten, auf Abwegen sein, unwegsam, ausweglos, be-weg-en, Be-Weg-ung, Beweglichkeit, bewegt = etwas bewegt mich innerlich, verwegen, etwas zuwege bringen, abwegig, unterwegs


*Quelle: Wikipedia

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